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Interview mit Brigitte Schmitz

Traumjob Trauerbegleitung

Foto: Uwe Rieder

Gemeindereferentin Brigitte Schmitz (Foto) ist seit vielen Jahren ein bekanntes Gesicht in den Gemeinden unserer Pfarrei Maria Frieden. Vor ca. vier Jahren hat sie sich aus der klassischen Gemeindearbeit zum Teil zurückgezogen. Fünfzig Prozent ihres Beschäftigungsumfangs stehen nun für die Begleitung von trauernden Angehörigen und die Durchführung von Beerdigungen zur Verfügung. Im Rahmen des Arbeitsschwerpunktes Trauerpastoral hat sie zudem konzeptionell die Trauerarbeit in Maria Frieden bzw. der GdG Krefeld-Süd im Blick. Sie ist auch Ansprechpartnerin für Trauerpastoral in der Region Krefeld-Meerbusch. Sven Stüttgen sprach mit Brigitte Schmitz über ihr besonderes Engagement.

Frau Schmitz, Sie haben nun seit ca. vier Jahren den Arbeitsschwerpunkt Trauerbegleitung innerhalb von Maria Frieden bzw. der GdG Krefeld-Süd. Wie kam es dazu?

Da muss ich ein wenig graben. Das Thema Trauer und Tod hat mich schon immer beschäftigt. So habe ich beispielsweise schon während meiner Zeit als Gemeindeassistentin einen Ausbildungsbaustein zum Thema Beerdigungsdienst absolviert. Lange Zeit waren die Themen der Pfarrei und die Gemeindearbeit, wie z. B. Erstkommunion- und Firmvorbereitung oder Kindergottesdienste, in meinen Einsatzpfarreien wichtiger. Aufgrund von personellen Engpässen und einem hohen Bedarf habe ich dann angefangen, Beerdigungsdienste zu übernehmen.

Ihre Augen leuchten, wenn Sie darüber sprechen. Ist es für Sie zur Herzensangelegenheit geworden?

Absolut. Ich habe gemerkt, dass es durchgängig mein Thema ist, mich der Umgang mit Trauernden sehr erfüllt und ich am richtigen Platz bin. In Zeiten eines furchtbaren Chaos gehe ich mit, höre zu und kann den Menschen ein bisschen Sicherheit geben. Das liegt mir. Es gibt so einen direkten, wunderbaren Kontakt zu den Angehörigen. Wir sind sofort bei den Themen, die das Leben ausmacht. Keine Oberflächlichkeiten, es geht immer um das Eigentliche.

Was hat Sie noch zur Intensivierung dieser Arbeit motiviert?

Ich habe hier meinen Platz in Kirche gefunden. Es ist ein Stück weit auch missionarisches Tun. Im Trauerfall treffen wir oft auf Menschen, die mit Kirche wenig am Hut haben, zweifeln oder schlechte Erfahrungen mit ihr verbinden. Den Kontakt zu uns mitunter nur aus der Tradition heraus suchen.

Hier besteht die Möglichkeit ein menschenfreundliches Kirchenbild zu vermitteln. Zu zeigen, da kommt eine Person von „Kirche“, die einfach nur da ist.

Mit dem Herzen dabei

Das Thema Trauerarbeit ist sensibel und hoch emotional. Wie haben Sie sich darauf vorbereitet? Hatten Sie am Anfang Bauchschmerzen?

Zur Vorbereitung gehörte eine Ausbildung zur Trauerbegleiterin, bei der ich gezielt für diese Aufgabe geschult wurde. Bauchschmerzen hatte ich natürlich. Wer keine Bauchschmerzen vor der ersten Beerdigung hat, der ist blauäugig. Vor diesem Bereich hat man Respekt. Und wenn ich sagen würde, es macht mir nichts aus, ich mache das jetzt einfach so, dann wäre es unverantwortlich. Bei Beerdigungen sind wir mit dem Herzen dabei. Natürlichkeit und Authentizität sind wichtig und helfen in der Praxis.

Nun zum Praktischen: Was passiert konkret, wenn Sie mit Angehörigen sprechen? Worauf legen Sie in den Trauerfeiern bzw. bei Ihren Ansprachen besonders Wert?

Zunächst bin ich für die Angehörigen da, versuche mit ihnen gemeinsam zu verstehen und auszuhalten. Darauf folgt meist die Gestaltung der Beerdigung. Mir ist dabei Individualität sehr wichtig. Eine Feier sollte zur Familie passen. Die verstorbene Person als Mensch steht dabei im Mittelpunkt, sein Leben in der Ansprache zu würdigen und vor Gott zu stellen. Der Inhalt ergibt sich dann meist im Gespräch u. a. anhand konkreter Lebensereignisse, persönlicher Erfahrungen, Gefühle und Verbindungen. Die Geschichte des Menschen und seiner Familie. Daraufhin ergibt sich oft eine Möglichkeit zur Auswahl eines konkreten Textes aus der Bibel. In den Feiern lese ich wenig ab und erzähle viel von meinem Glauben und meiner Hoffnung.

Gestalten Sie die Trauerfeiern frei oder nach dem Ritus und in liturgischer Sprache?

Ich nehme den vorgeschriebenen Ritus, nutze dafür aber meine eigenen Worte. Ich breche die liturgische Sprache ein wenig auf. Es kommt bei den Menschen dadurch hoffentlich persönlicher an. Das ist mir ein Anliegen.

Ein Ausgleich ist erforderlich

Wo finden Sie Hilfe wenn Sie Schicksale oder Geschichten der Trauernden persönlich mitnehmen? Was machen Sie nach einer Trauerfeier und wo können Sie über die Erfahrungen sprechen?

Mit Kollegen und manchmal auch mit meiner Familie. Ich brauche viel Zeit zum Spazieren gehen, laufe quasi ab, was mich bewegt, und brauche eine Pause. Gleich nach einer Beerdigung zum Alltag übergehen, ist nicht möglich. Beerdigungen sind keine Aktenablage. Ohne Auszeit würden wir Seelsorger das Bedürfnis der Verarbeitung unserer Erfahrungen übergehen.

Mehrere Beerdigungen an einem Tag direkt hintereinander sind für Sie also nicht leistbar?

Das ist schwierig. Im Notfall würde ich es machen. Wenn es sich nicht irgendwie vermeiden lässt, mache ich jedoch nicht mehr als eine Beerdigung pro Tag. Dass Körper und Seele Auszeiten brauchen, war Ergebnis eines Lernprozesses. Meine Arbeit schärft den Blick auf das Hier und Jetzt, die Endlichkeit des Lebens und die Bedeutsamkeit jeder Begegnung.

Geht die Trauerbegleitung über die Gestaltung der Trauerfeier hinaus?

Ja, schon im ersten Kontakt mit den Angehörigen beginnt Trauerbegleitung. Wir bekommen einen Einblick in das soziale Umfeld und die Unterstützung, die Trauernde dort finden können. Durch behutsames Nachfragen oder kleine Hinweise können wir mithelfen, dass der manchmal lange schmerzhafte Trauerprozess gut beginnen kann. Im Gespräch geht es darum nicht nur um den Verstorbenen, sondern auch um die Angehörigen. Dazu gehören gegebenenfalls auch Kinder, z. B. das Ansprechen der Versorgung im Alltag oder wie Kinder einen Raum zur Trauer finden können.

Unser Angebot der Trauerbegleitung kurz nach der Trauerfeier hier vor Ort wird wenig angenommen. Gesprächsangebote erhalten die Angehörigen von unserer Seite immer, dazu auch Infos über Trauergruppen oder andere Formen der Trauerbegleitung des Netzwerkes Trauer.

Sie haben vor einigen Monaten eine Veranstaltung mit dem Titel „Trauerfall – was nun“ angeboten. Wie war die Beteiligung und mit welchen Anliegen und Fragen kamen die Menschen?

Die Beteiligung war gut. Bei den Anliegen hatte ich im Vorfeld andere Erwartungen, z. B. wollte ich über die Frage „Wie geht Trauer?“ sprechen. Im Fokus der Besucher standen jedoch organisatorische Dinge, also Fragen rund um das Thema „Was muss ich im Vorfeld tun?“. Dieses Anliegen habe ich unterschätzt. Gemeinsam mit einer Bestatterin, wir haben die Infoveranstaltung zusammen angeboten, konnten dann auch die organisatorischen Anliegen beantwortet werden. Hier werde ich mich in Zukunft besser vorbereiten.

Jeder kann Trauernden Hilfe anbieten

Hat sich da in unserer Kultur etwas verändert? Ist es heute mehr ein Regelungsinteresse?

Ich weiß es nicht, glaube jedoch, die ist im Einzelfall von der Einstellung der Leute abhängig. Manche Menschen möchten sich mit Tod nicht auseinandersetzen. Vielleicht denken sie unbewusst, wenn ich nicht daran denke, kommt er nicht. Das Verdrängen ist dann ein Schutz. Andere wiederrum möchten etwas für ihre Angehörigen und sich selbst tun. Da gibt es beide Typen und wahrscheinlich auch Mischformen.

Was wünschen Sie sich bezogen auf Ihren Arbeitsschwerpunkt von den Mitgliedern der Pfarrei Maria Frieden?

Wenn bei Mitmenschen, Freunden oder Gemeindemitgliedern in der Familie ein Trauerfall eingetreten ist, keine Angst zu haben. Ganz normal mit den Trauernden sprechen. Einfach hingehen und da sein. Nichts sagen und dabei sein ist wichtig. Weitere Dinge ergeben sich dann automatisch. Keine Phrasen daherreden wie „es war besser so“. Hingehen und für den Menschen ansprechbar sein. Immer wieder Gesprächsbereitschaft signalisieren und Hilfe anbieten, auch in organisatorischen Dingen (z. B. eine Suppe kochen; Kinder abholen…). Gemeinsam versuchen, den Alltag zu regeln. Sich nicht anbieten oder die Straßenseite wechseln, sollte auf keinen Fall passieren. Lieber hingehen, sofort hingehen. Das macht es natürlich und leichter.

Text: Sven Stüttgen