Bestattungskultur gestern und heute
-
Foto: Renate Kloss
Andere Lebensentwürfe, der Wegfall von gesellschaftlichen Konventionen und eine beruflich geforderte Mobilität verändern unsere Kultur nachhaltig. Auch Tod, Trauer und Bestattung bleiben davon nicht verschont. Die Bestattungskultur erlebt derzeit einen großen Umbruch. So ist sie heute mehr denn je vom Faktor „Individualität“ gekennzeichnet. Für die letzte Ruhestätte gibt es allein auf den Krefelder Friedhöfen 23 unterschiedliche Bestattungsarten. Damit hat die Stadt Krefeld den Wandel der Zeit erkannt, was sie als Betreiberin der Friedhöfe auch aus zwingender Notwendigkeit tut, da der „Markt“ andere Alternativen bietet.
So entsteht zum Beispiel die erste Grabeskirche in Krefeld: Die katholische Kirchengemeinde Heiligste Dreifaltigkeit Krefeld gestaltet die ehemalige Kapuziner- und Pfarrkirche St. Elisabeth an der Hülser Straße 576 in eine Grabeskirche um. Durch diesen Umbau will die Kirchengemeinde für Christen aller Konfessionen einen Beisetzungsort gestalten, der geprägt ist vom Glauben an die Auferstehung der Toten. Dadurch soll besonders auch für die Trauernden ein Ort des Trostes geschaffen werden. Die Kirche will aber auch Anlaufort werden für jene Menschen, die auswärtige Gräber haben und hier in unserer Stadt einen Ort der Trauer, des Gebetes und des Trostes suchen. In Mönchengladbach bzw. Viersen werden solche Projekte bereits gut angenommen. Somit stellt sich auch Kirche den veränderten Bedingungen. Ist der derzeitige Wandel der Bestattungskultur einmalig?
Warum bestatten wir Menschen unsere Toten?
Für den Menschen war das Bestattungswesen zunächst ein kultureller Lernprozess. Ausgehend von einem Zusammenleben in größeren Sozialgemeinschaften, die von gegenseitiger Abhängigkeit geprägt waren, stellte der Tod eines Menschen, der wiederrum Teil dieser Gemeinschaft war, die Sozialgemeinschaft vor völlig neue Herausforderungen. Er reißt quasi eine Lücke und bringt Unordnung. Zum Schließen dieser Lücke wurden Rituale entwickelt. Die Beerdigung wurde zum Teil dieser Bräuche. Letztlich ist den Menschen das Bestatten und Trauern nicht angeboren. Man kann viel eher von sich wandelnden Lernprozessen sprechen, die in der Geschichte der Bestattungskultur schon immer Traditionen, Bräuche und Rituale verändert haben.
Wie stehen Religion und Tod im Zusammenhang?
Letztlich setzt sich Religion, und nicht nur die christliche, immer auch mit den Geschehnissen des Todes auseinander. Zentral ist dabei die Erklärung vom Kommen des Todes in die Welt und seine Überwindung. Als Christen glauben wir, wie es schon im Apostolischen Glaubensbekenntnis heißt, an „die Auferstehung der Toten und das ewige Leben“. Den Tod erklären wir mit der Paradieserzählung im Alten Testament.
Traditionen im Wandel der Zeit
Lange Jahre war die traditionelle Bestattung des Leichnams auf dem Friedhof gängige Praxis. Dazu gehörten eine Auferstehungsfeier in der Kirche, das Zusammenkommen in der Trauerhalle des Friedhofes und eine Prozession der Trauernden zum Grab. Gefolgt von der eigentlichen Beisetzung und dem Leichenschmaus im Anschluss.
Heute stehen individuelle Formen im Vordergrund, die im Besonderen auf den Menschen mit seinen Lebensgewohnheiten, Vorlieben und Vorstellungen Bezug nehmen. Hier sind beispielsweise Seebestattungen für Nordseeliebhaber oder die Einbeziehung von Schlagermusik in die Trauerfeier zu nennen. Letztere muss nicht unbedingt fehl am Platze sein. Für manche Menschen gehört sie zur Trauerarbeit mit dazu, setzt Emotionen frei. Deshalb verschließen sich auch die bei uns im Beerdigungsdienst tätigen Personen nicht grundsätzlich den Wünschen der Angehörigen.
Der Rückgang der traditionellen Bestattungen des Leichnams, d. h. in einem Sarg und auf einem Friedhof, ist zudem von den Faktoren Mobilität und Flexibilität gekennzeichnet. Menschen haben heute nicht mehr lebenslang nur einen festen Wohnort, sind wie früher mit dem Geburtsort fest verankert.
Auch aufgrund der hohen Kosten ist für viele Menschen eine klassische Form finanziell nicht mehr darstellbar. Die Anzahl der Sozialbestattungen ist in Deutschland weit auf dem Vormarsch. In Großstädten liegt die Anzahl von Feuerbestattungen und Beisetzung in anonymen Gräberfeldern zwischen 40 und 50 Prozent.
Kulturelle Veränderungen der Bestattungskultur sind immer eine Antwort auf die Zeit, also nichts grundsätzlich Neues. Dies kann beispielhaft an zwei Aspekten dargestellt werden. So wurden den Verstorbenen im Europäischen Frühmittelalter umfangreiche und kostbare Grabbeigaben hinzugefügt. Hierzu gehörten u. a. Ketten, Ringe, Axt und Schild. Mit der Christianisierung Europas verschwanden die materiellen Beigaben nach und nach. Als weiterer Aspekt ist die Verbrennung von Verstorbenen zu nennen. Diese wurde seitens der katholischen Kirche über mehrere Jahrhunderte abgelehnt. Lange galt der Katholik im Volksmund als „Einer, der sich nicht verbrennen lassen darf“. Am 5. Juli 1963 erlaubte das Heilige Offizium (Vorgängerbehörde der heutigen Glaubenskongregation) auch Katholiken die Feuerbestattung. Was unter Papst Paul VI. endete, geht zurück bis in die Christianisierung Europas und „Karl dem Großen“.
Text: Sven Stüttgen