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Erstkommunion

Rückblick auf eine Erst­kommunion in den 1950er Jahren

Zur Zeit der Erstkommunion 2022 ist Flucht ein großes Thema. Die Flucht von vorwiegend Frauen und Kindern vor dem Krieg in der Ukraine. Beim Gespräch hierüber erinnert sich Renate Kloss, dass es bei ihrer Erstkommunion im Jahr 1955 gar nicht so anders war, außer dass der Krieg glücklicherweise schon ein Ende gefunden hatte. Denn damals wurden für Kinder von Familien, die im Krieg geflüchtet waren, Gastfamilien gesucht, damit diese Kinder auch an der Erstkommunion teilhaben konnten. Eines dieser Kinder kam nach Krefeld und machte die Kommunion zu einem ganz besonderen Erlebnis. Renate Kloss hat ihre Eindrücke aufgeschrieben:


 

  • Kommunion 1955 in Krefeld

    Foto: Archiv Renate Kloss

Erstkommunion 1955

Für die Erstkommunion im Jahre 1955 wurde mit der Planung schon im Herbst begonnen. Die Kinder des dritten Schuljahres der St. Josefschule gingen gemeinsam zur Erstkommunion. Und im sonntäglichen Gottesdienst wurde vermeldet, dass für Erstkommunionkinder von im Krieg geflüchteten Familien noch Gastfamilien benötigt werden.

Auf dem Heimweg drehten sich die Gespräche nur noch um meine bevorstehende Erstkommunion. „Ob ich mich darauf freue? Wie denn die Vorbereitung sein wird?" usw. Zuhause fragten mich meine Eltern, was ich mir denn wünschen würde?

Da ich mit zwei älteren Brüdern aufgewachsen bin, hatte ich mir schon immer eine Schwester gewünscht. Der Gedanke, dass es Kinder gibt, denen es nicht so gut geht wie mir, ließ mich nicht los! So wünschte ich mir ein Mädchen, das mit mir gemeinsam zur Erstkommunion geht. Meine Eltern erfüllten mir diesen Wunsch!

Also bereiteten wir uns auf das neue Familienmitglied vor und mein ältester Bruder zog ins Speicherzimmer. Am letzten Tag der Weihnachtsferien gingen wir zum Krefelder Hauptbahnhof und holten meine „Schwester“ ab. Sie kam alleine vom Ammersee in Bayern hier an.

Da stand sie vor uns, Anni hieß sie, klein und schüchtern, mit einem uns fremden Dialekt.

In einer Familie mit zwei Jungen und einem Mädchen waren Anfangsschwierigkeiten schnell überwunden. Anni ging nun vier Monate mit mir zum Gottesdienst, zur Schule, zum Unterricht für die Erstkommunion, zu Gruppenstunden, zur Bücherei der St. Josef Pfarre und vieles mehr. Ihr weißes Kleid wurde von den Schwestern des Josefhauses genäht. Meine Mutter nähte uns ein Kleid, im Schnitt gleich nur in unterschiedlicher Farbe, für den „zweiten Tag“ (Montag nach dem Weißen Sonntag).

Vier Monate bereiteten uns der Pastor, Kaplan, Lehrer/innen und die Eltern auf die Erstkommunion vor. Eine Verkleidung zu Karneval war für Erstkommunikanten/innen tabu! Erlaubt war höchstens eine lustige Kopfbedeckung.

Mit den Gottesdiensten der heiligen Woche rückte der Erstkommuniontag immer näher. Es war eine geschäftige Unruhe der Erwachsenen. Uns Kinder hat das nicht gestört, wir fanden alles spannend! Um Gäste bewirten zu können, wurden Möbel versetzt, und Nachbarinnen halfen bei der Vorbereitung in der Küche.

Es war ein Fest für die ganze Familie, die dann am Sonntag auch gemeinsam zur Kirche ging. Alle Erstkommunionkinder stellten sich auf dem Schulhof auf und gingen in Begleitung der Priester, des Rektors und der Lehrer/innen zur Kirche. Die vielen uns bekannten Menschen vermittelten den Erstkommunionkindern die Wichtigkeit der Heiligen Kommunion und wir spürten, dass nun ein neuer Abschnitt unseres Lebens beginnt.

Am Montag kamen dann die Freunde und Nachbarn und gratulierten den Erstkommunionkindern. Dass wir zu zweit waren, haben meine Eltern allen Gästen frühzeitig vermittelt, die dann auch für Anni Geschenke mitbrachten.

Der Abschied kam näher und damit auch Annis Rückreise zu ihren Eltern. In der Woche nach dem Weißen Sonntag brachten wir sie zum Bahnhof und spürten sofort, sie wird uns fehlen.

Kinder sind sorglos und hinterfragen nicht, was es für Eltern bedeutet, ein fremdes Kind in die Familie aufzunehmen! Heute ist mir bewusst, was für ein Geschenk mir meine Eltern gemacht haben. Ich hatte einmal eine Schwester, wenn auch nur für vier Monate.

Renate Kloss

  • Foto: Archiv Renate Kloss